Ein Pinselstrich – weder eine Grenze noch eine Brücke

Literarische Lesung von Yoko Tawada

Donnerstag, 4. Februar 2010, 19:30-21:00, Aula

«Grenzen» sind in  den Texten von Yoko Tawada ein wiederkehrendes, dabei aber vielschichtiges und stets neu entwickeltes Thema. In ihrer unterschiedlichen Ausprägung etwa als kulturelle, sprachliche oder geographische Grenzen werden sie feinsinnig beschrieben, scharf analysiert und auf ihre Verbindungen unter einander befragt: 

Können territoriale Grenzen durch widerstreitende Erzählungen herausgefordert und in Frage gestellt werden? Was – welche Bedeutungsdimensionen? Welche Geschichte? – geht verloren, wenn  ein Begriff von einer Sprache in eine andere übersetzt wird? Wie verweist diese Unzulänglichkeit des Übersetzens auf die Begrenztheit von Sprache überhaupt? Welche Assoziationsketten entstehen, wenn ein japanischer Begriff in die deutsche Sprache geschmuggelt wird und dabei die Sprachgrenzen überschritten werden? 

Tawada entfaltet ihre Reflexionen in verschiedenen Textgattungen, darunter in Essays, Gedichten oder Erzählungen. Anekdoten und detailgenaue Beobachtungen sind ihre unerlässlichen Ausgangspunkte. Und während der gegenwärtige Theoriediskurs immer mitschwingt – vom unbeherrschbaren Spiel der Signifikanten über die «mental map» zur modernen Mobilität –  sind ihre Texte doch leichtfüssig und witzig: «Sie beherrscht das Spiel zwischen sprachforscherischer Seriosität und Spass» (Kieler Nachrichten).

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Yoko Tawada wurde 1960 in Tokyo geboren. 1979 kam sie mit der transsibirischen Eisenbahn nach Deutschland. Sie studierte Literaturwissenschaft in Hamburg und Tokyo, heute lebt sie in Berlin. Sie schreibt in deutscher und japanischer Sprache. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, so etwa mit dem Chamisso Preis (1996) dem renommierten Junichiro Tanizaki Literaturpreis (2003) und der Goethe-Medaille (2005). Tawada war Inhaberin der Tübinger Poetik-Dozentur (2000) und hat an zahlreichen Literatur-Festivals mitgewirkt.

Zu ihren wichtigen Publikationen in deutscher Sprache gehören: Wo Europa anfängt (1991), Talisman (1996), Verwandlungen. Tübinger Poetikvorlesungen (1998), Überseezungen (2002), Sprachpolizei und Spielpolyglotte (2007), Schwager in Bordeaux (2008).